

Martinskirche Apolda
Der 1119 erstmals erwähnte Kirchenbau, im Herzen Apoldas, zählt zu den ältesten Gebäuden
der Stadt. Nach mehreren Umbauten wurde der imposante Bau bis 2017 als Lager und
landeskirchliches Depot genutzt und steht nun leer. Nur der Gebäudeteil der Kapelle wird noch als sakraler Raum genutzt.
Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung – IBA Thüringen wurde ein Architekturwettbewerb initiiert, der ein Umnutzungskonzept des Kirchenschiffs zu einem Kulturzentrum vorsah. Ziel war es, dem Ort und dem Gebäude zu überregionaler Strahlkraft zu verhelfen und als Anlaufpunkt wieder im städtischen Gefüge zu verankern.
Unser Beitrag überzeugte mit einem radikalen und zugleich behutsamen Entwurfsansatz.
Idee
Die Idee besteht darin, ohne wesentliche Eingriffe in die tragende Bausubstanz ein Haus im Haus
zu errichten. Mit dem Ziel, eine Architektur als Impulsgeber zu generieren, die mit einer eigenen
Strahlkraft dem alten Gemäuer neues Leben einhaucht. Die Innovationskraft liegt dabei in der
Einfachheit der architektonisch-räumlichen Idee, die das Verhältnis von Leerraum umkehrt. Der
Bestand wird dabei nur minimal tangiert. Eine offene Struktur sorgt für viel natürliches Licht
in den neuen Räumen sowie für eine einzigartige Korrespondenz zwischen Bestand und Neubau.





Funktion
Die neuen Räume und Strukturen sind flexibel für kulturelle Nutzungen angelegt.
Insbesondere das „freigespülte“ Erdgeschoss – die neue Plaza – definiert sich mit über 220qm als
großer, multifunktionaler Raum mit einzigartiger Atmosphäre.
Darüber ruht eine zweigeschossige Leichtbaukonstruktion. Hier sind alle wesentlichen
Funktionen, wie ein kleiner Saal, ein Kinderraum und ein großer Saal untergebracht. Die
bestehenden Räume des Turms werden in die Umnutzung einbezogen. Über eine offene Treppenanlage sind diese Bereiche mit den neuen Räumen im Kirchenschiff verbunden.




Konstruktion
Das neue Objekt leitet seine Kräfte über massive Stahlbeton- Grundkonstruktionen ab. Die Gründung erfolgt dabei über Mikrobohrpfähle bis in ca. 14m Tiefe. Nur zwei ellipsenförmig, geschwungene Stützpfeiler tragen die darüber liegende, auskragende Deckenplatte. Diese ist aufgrund ihrer Abmessung und freitragenden Struktur als Spannbetondecke konzipiert. Die darüber liegenden beiden Geschosse sind von einem hölzernen Rautengewebe umhüllt und getragen. Diese netzartige Struktur setzt sich aus einzelnen Brettschichtholzelementen zusammen. Sie geben dem Implantat seine äußere Erscheinung, sorgen für die thermische und akustische Trennung zum Hauptkirchenraum und bilden in ihrem Gesamtzusammenhang ein homogenes Tragwerk. Die einzelnen Rautenelemente können dabei neben der grundsätzlichen Nutzung als Fensteröffnung, u.a. als Akustikmembran; Lautsprecher sowie als Träger für Kunstlicht genutzt werden. Um die unterschiedlichen Konstruktionsarten optisch zu einem einheitlichen Ganzen zu führen, werden beide Oberflächen von außen weiß lasiert.
Im Inneren sind Decken und Böden in natürlicher Holzoberfläche belassen.
Raumabtrennung und erforderliche Stauräume werden über raumhohe, hölzerne Einbauschränke und -regale realisiert. Die Bestandskonstruktionen im Kirchenschiff und Turm werden als solche belassen und nur durch. neue Bodenbeläge, Beleuchtung u.ä. zeitgemäß ergänzt.




Daten
Bauvorhaben: Martinskirche Apolda | Umbau zum Soziokulturzentrum
Bauherrschaft: Ev.-Luth. Kirchgemeinde Apolda, unterstützt durch EKM | Kooperationspartner IBA Thüringen
eingeladener Realisierungswettbewerb: 2020, 1. Preis
Fertigstellung: 2026 – in Ausführung