Schön hier: Architektur auf dem Land
IBA Abschlusspräsentation 2023
Best of Germany
Auf Tuchfühlung
Duplex

Duplex

Mit doppeltem Giebel zwischen Wald und Wiese

Duplex

Das Giebelhaus, bekannt aus unzähligen Kinderzeichnungen, ist der deutsche Archetyp des Wohnens. Dieser Typus bildet die Grundlage eines überraschend unkonventionellen Wohnhauses, für ein Paar das aus einer umgenutzten, städtischen Schulaula in die Umgebung seiner Kindheit zurückzog: In eine durchgrünte Nachbarschaft am Waldrand von Leipzig, mit üppigen Gärten und Einfamilienhäusern, die mit dem Giebel zur Straße schauen.

Idee

Die prägende Charakteristik der Siedlung wurde in ein giebelständiges Wohnhaus übersetzt. Diese Grundfigur blieb jedoch nicht allein. Nach dem Motto „doppelt hält besser“ setzt sich die Gesamterscheinung des Neubaus aus zwei zueinander versetzten, schmalen Hauskörpern zusammen.
Diese Maßnahme erlaubt es, innerhalb der Baufluchten der Nachbarbebauung zu bleiben, auf die Maßstäblichkeit der Umgebung zu reagieren und gleichwohl das geforderte Raumprogramm kompakt und zentriert unterzubringen. Statt uniformer Typisierung verfolgt der Entwurf das Ziel, das Bestehende so zu transformieren, dass eine eigenständige Architektur entsteht. Ein klar und geradlinig geschnittenes Gebäudevolumen, mit besonderen Öffnungen in die Natur. Die Ausblicke nehmen dabei insbesondere den Wald im Osten und den Obstgarten im Westen, in den Fokus.

Exterieur

Die Dopplung des Giebels und die gerundeten Fenster scheinen auf den ersten Blick nicht ins typische Ortsbild der Stadtrandlage zu passen. Auch die Fassade, mit ihrer sägerauen Oberfläche aus brettergeschaltem Sichtbeton, scheint dem Wald näher zu stehen als den Nachbarhäusern.
Und doch fügen sich die vertrauten Proportionen selbstverständlich in die Umgebung ein.
Erschlossen wird das Haus über einen dicht begrünten Vorgarten. Dieser differenziert in erster Linie als Pufferzone zwischen öffentlichem Raum und Privatsphäre.

“Ein typisches Wohnhaus-Experiment von Atelier ST, die in ihrer Architektur frenetisch mit Sehgewohnheiten spielen.”
— Jeanette Kunsmann, A&W 01/2024

Material

Hinter dem einschaligen Sichtbeton der Außenwände wurde innenseitig eine Wärmedämmung aus ökologischem und energieeffizientem Hanf-Kalkstein aufgebracht, der bei diesem Vorhaben erstmals in Deutschland Verwendung fand.
Ein warmer, feinstrukturierter Lehmputz auf Wänden und Decken zieht die unterschiedlich proportionierten Räume zusammen. In den öffentlichen Bereichen wurde ein grünschimmernder Naturstein verlegt, der auch in den Sanitärräumen und Duschen eine ganzheitliche Fortsetzung findet. In den oberen, privaten Räumen wurde ein naturgeöltes Eichenparkett verlegt.

Interieur

Die Lichtstimmungen der Natur dringen durch eine fein gegliedertes Rundportal in das Entree ein. Wie in einer Höhle setzen sich die Bogenformen in Türen und Durchgängen im gesamten Haus fort und verbinden den offenen Koch- und Essbereich – eine Reminiszenz an das Tonnengewölbe der Schulaula, das die Bauherrschaft vorher im Leipziger Stadtzentrum bewohnt hat. Die Wohnebene des Neubaus liegt leicht erhöht, und überrascht mit einem Raumvolumen, das bis unter das Dach reicht. Der private Master-Bereich befindet sich auf einer weiteren Zwischenebene; wenige Stufen darüber liegen die Zimmer für Kinder, Gäste und Arbeiten. Jeder Raum zelebriert einen eignen Ausblick in die Natur und spielt bewusst mit der Diskrepanz zwischen der länglichen Doppelform des Hauses und der dazu konträren Raumstruktur. Dieses Verwirrspiel wird verstärkt mit zwei aussteifenden Wänden im Inneren, deren Beton analog zur Fassade unverputzt und sägerau belassen wurde.

„Beim Betreten des Duplex wird das Konzept „Außen robust, innen weich“ zum Leben erweckt und ein einladender, schützender Innenraum enthüllt, der durch organische Formen und Oberflächen definiert ist.“
Ignant Magazin

Daten

Bauvorhaben: Duplex | Neubau Wohnhaus in Leipzig-Portitz
Bauherrschaft: privat
Fertigstellung: 2023
Fotograf: Clemens Poloczek

Mühle Rasurkultur

Mühle Rasurkultur

Neue Werkhalle für Rasurkultur im Erzgebirge

Tief im Erzgebirge, im kleinen Ort Hundsdübel bei Stützengrün, stellt die Firma Mühle seit rund 80 Jahren edle Rasurprodukte her. Lokal und handwerklich gefertigt aus Aluminium, Holz, Porzellan, Harz und Dachshaar, sind sie Rasierenden weltweit ein Begriff.
Für das expandierende Unternehmen wurde das schmale, am Hang liegende Werksgelände, mit einer neuen Fertigungshalle nachverdichtet.

Idee

Mit dem Ersatzneubau sollte eine Arbeitsstätte entstehen, die eine Raffinesse entfaltet, die genau den Produkten und der Arbeitsweise von Mühle entspricht: lokal und hochwertig, traditionsbewusst und modern, scharfkantig und doch behutsam.
Auf Grundlage der städtebaulichen Vorgaben wird die 400qm große Halle als Bindeglied zwischen zwei bestehende Gebäude auf dem Werksgelände positioniert.
Diese gliedert sich in einen hohen eingeschossigen Produktionsteil und einen kleineren zweigeschossigen Bereich. Im Erdgeschoss dieser „Haus im Haus“- Konstruktion sind Büros und Verwaltungsräume untergebracht. Im Obergeschoss konnte ein großer Beratungsraum mit Blick in die Werkhalle untergebracht werden.
Äußerlich präsentiert sich der Neubau als gläsern schimmernde Erscheinung. Das Glas lässt die Außenräume nach Innen fließen, ermöglicht Einblicke in den Fertigungsprozess und sorgt nicht zuletzt für eine maximale natürliche Belichtung der Halle.
Gegliedert wird die Fassade durch fein schimmernde und präzise gekantete Aluminiumprofile – eine bewusste Referenz zu den edlen Rasurprodukten, die hier am Standort gefertigt werden. Kontrastierend zur äußeren Erscheinung ist das Innere der Halle wie ein bergender, wärmender Körper fast ausschließlich von hölzernen Oberflächen geprägt.

Material

Einfach und doch elegant, bildet eine flügelgeglättete Stahlbetonbodenplatte die konstruktive Basis des Neubaus. Die Bodenplatte sorgt mittels Industriebodenheizung gleichzeitig für die Wärmeversorgung der Halle, die auf einer Sohle-Wasserwärmepumpe basiert.
Eine rückseitige Stahlbetonwand, die im Inneren in Sichtqualität ausgeführt wurde, stützt das Gebäude gegen den nord-westlichen Hang.
Aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Erzgebirge und vor dem Hintergrund eines bewussten Bauens mit nachwachsenden Rohstoffen sind alle anderen Tragelemente als Holzkonstruktionen konzipiert. So sind Stützen und Träger aus Brettschichthölzern gefertigt. Decke und Dach sind als massive Brettsperrholzelemente konzipiert. Auch die inneren Fensterkonstruktionen und akustischen Verkleidungen sind aus dem Werkstoff Holz.
Diese natürlichen Materialien sorgen neben guten konstruktiven und isolierenden Eigenschaften für ein gesundes Klima in der Halle.
Das Dach, durch die Hanglage im Ort gut sichtbar, ist größtenteils begrünt und beherbergt die Photovoltaik, die den Strom für die Erdwärmepumpe liefert.

„Die neue Produktionshalle der Mühle Shaving ist ein gelungenes Beispiel wie Unternehmenskultur zu identitätsstiftender Baugestalt werden kann. Entstanden ist eine Arbeitstätte, die mit Würde und Gelassenheit die Werte des Unternehmens in architektonische Alltagsräume überträgt…“.
Jury – BDA Preis Sachsen 2024

Daten

Bauvorhaben: Mühle Rasurkultur, Neubau Werkshalle 4
Bauherrschaft: Mühle | Hans-Jürgen Müller GmbH & Co. KG
Fertigstellung: 2023
Fotograf: Simon Menges; Felix Brüggemann

Heizkraftwerk Leipzig Süd

Heizkraftwerk Leipzig Süd

Keramische Fortsetzung des Bestehenden

Hinter den Bahngleisen, im Süden von Leipzig, erhebt sich das neuen Heizkraftwerk Süd, mit seinen markanten, farbigen Kuben. Es ist Deutschlands erstes Heizkraftwerk, welches ausschließlich mit Wasserstoff betrieben werden kann.
Im Grunde genommen setzen sich die die neuen Objekte aus rein technischer Apparatur zusammen. Eine Art überdimensionaler Motorblock. Da sie sich jedoch nicht ohne Weiteres in die Umgebung, die teilweise aus hochwertigen, denkmalgeschützten Backsteinbauten besteht, integrieren ließen, lobten die Stadtwerke Leipzig einen Gestaltungswettbewerb aus, den wir mit unserem Beitrag einer „keramischen Fortsetzung“ gewinnen konnten.
Die Idee bestand darin, das in unterschiedlichen Farben gebrannte Sichtmauerwerk der historischen Kraftwerksbauten, aus gelben, braunen und rötlichen Klinkersteinen, auf die drei Neubauten zu übertragen. Trotz der technischen Funktion sollte die Materialität der Fassaden eine Wertigkeit erzeugen, die mit der Umgebung und den Bestandsbauten korrespondiert. Das Material ist dabei ebenso gebrannter Ton. Jedoch als vorgehangene, glasierte Platten mit feiner, unregelmäßiger Vertikalstruktur.
Nur die Sockelgeschosse sind weiterhin in Klinkermauerwerk ausgebildet. Ihr, zum Teil schräger, Abschluss formt dabei die jeweils gegenüberliegende Häusersilhouette, bzw. Dachlandschaft nach und schafft trotz einer hohen Eigenständigkeit eine weitere Beziehung zum Quartier.

„Atelier ST ist es gelungen, mit einer differenzierten Fassade einem Industriegebäude Identität zu gegeben und es sowohl mit seiner städtischen Umgebung als auch seinem kulturellen Erbe in Einklang zu bringen. Dafür wurde das Büro 2024 für den Deutschen Fassadenpreis in der Kategorie -Das besondere Detail- nominiert.“
Hanna Sturm – Bauwelt 02.2025
“Ein Farb- und Fassadenspiel aus Klinker und Keramik, das der Typologie Kraftwerk ein ganz neues Gesicht verleiht.”
Moeding Ceramics

Daten

Bauvorhaben: Heizkraftwerk Leipzig Süd | Fassadengestaltung der Anlagengebäude
Auftraggeber: Stadtwerke Leipzig, Zusammenarbeit mit Fichtner GmbH
Einladungswettbewerb 2020, Zuschlag
Fertigstellung: 2023

Nützlich - wie Pragmatismus auf Ästhetik trifft
Clean, geschliffen, scharfkantig
Best Architects 2024